Jêle-Café: Im Gespräch mit Cêlal Düzgün

«Jêle» ist der Name eines Berges, der in der Region Dersim in Ostanatolien liegt. In der vom Aussterben bedrohten Zaza-Sprache bedeutet «Jêle» Naturgöttin. Zaza ist mit dem Altpersischen verwandt und gehört zu den indogermanischen Sprachen. Der Jêle-Berg ist für die Einheimischen ein spiritueller Ort. Mit dem Jêle-Café sollen heute Milchschaumberge etwas frische Höhenluft ins flache Basel tragen. Nur drei Stufen gilt es zu erklimmen; danach kann auf dem Gipfel geschmökert, geschlürft, gelöffelt und vor allem geschwatzt werden. Geniess den Austausch und lass’ den Alltag am Fuss des Berges stehen, wörtlich eher auf den Strassen des lebendigen Sankt Johanns.


Lieber Cêlal, wer steckt hinter dem Cafe Jêle?
Das bin ich Cêlal: ich stamme aus Ostanatolien aus der Region Dersim und habe in Istanbul Soziologie studiert, bin danach wegen meines Masters nach Wien gezogen und von dort dann im Jahr 2003 weiter nach Basel.

Wie kam es zur Gründung?
In Istanbul kam ich zum ersten mal in Berührung mit der Kaffee- und Teekultur. Dies wurde in meinem nächsten Zuzugsort in Wien noch einmal mehr intensiviert. Ich entdeckte das Potenzial und die Vielfältigkeit der «Cafés» und auch den Drang nach Selbstständigkeit.



Könntest du unserer Leserschaft mehr über das Potenzial eines Cafés erzählen?
Zuerst muss einmal erwähnt werden, als ich 2003 von Wien nach Basel immigriert bin, da war es noch ziemlich ruhig in dieser Szene, das Meiste hat sich in den letzten sieben Jahren getan, so habe ich auch den Mut gefasst 2013 das Projekt Cafe Jêle in der Realität zu manifestieren. Zum einen war es dazumal der Bedarf und zum anderen das Potenzial für alle Menschen da zu sein, denn Kaffee bedeutet lebendig sein. Es haucht einer Strasse Leben ein. Dieser Sozialraum lässt zwischenmenschliche Begegnung zu und ist zu gleich ein geeigneter Ort für kulturelle Anlässe und Philosophie. Was kann sich ein Soziologe mehr wünschen (lacht).
Auch sollte erwähnt werden, dass dieser Sozialraum im ständigen Wandel ist, denn man ist den äusserlichen Mächten ausgeliefert, so flexibel respektiv interaktiv ist man in seinen eigenen vier Wänden nur selten beim Kaffee trinken, denn alles was man tut ist einen Knopf betätigen und den Kaffee runterspülen. Ich denke auch, dass es im Café selbst eher um das zwischenmenschliche geht als um das Kaffee trinken. Man begegnet sich auf einer anderen Ebene, aber klar ist alles mit einem bekömmlichen, biologischen und nachhaltigen Kaffee genüsslicher. Ein Kaffee ist wie ein Kurzurlaub, man entdeckt durch manches Gespräch neue Welten gar neue Dimensionen, dies bietet dir deine Kaffeemaschine zu Hause nicht auch wenn es die Werbung dir verspricht.




Wie würdest du dein Café charakterisieren, was ist das Besondere?
Diese Frage würde ich gerne anhand von Rückmeldungen von meinen Gästen beantworten. Viele fühlen sich wohl, empfinden das Café als energetisch positiv und spüren die Herzlichkeit, welche sich in der Einrichtung, im Sortiment und auch im Umgang widerspiegelt. Auch sollte erwähnt werden, dass der Garten erweitert und begrünt wurde. Jetzt kann man im Sommer seinen Eiskaffee neben einer Weinrebe, unzähligen Kräutern, einem Feigen- und Wallnussbaum und auf der wohl bequemsten und längsten Holzbankreihe geniessen. Eine kleine, grüne Ruheoase mitten im lebendigen St.Johann.




Was hast du auf deiner Karte, wie verköstigst du deine Besucher?
Für meine Gäste nur das Beste! Alles auf der Karte ist entweder biologisch oder Demeter. Das Gebäck beziehe ich vom Speisehaus in Dornach und die Suppen, die Piadinas sowie Salate sind hausgemacht. Aber… am besten immer nachfragen, denn es hat immer wieder neue Produkte, so dass jeder Besuch ein neues Erlebnis ist, denn die Veränderung ist eine der wenigen Konstanten, die wir haben.



Weshalb der Name und von welcher Sprache stammt diese ab?
Die Zaza-Sprache ist vom aussterben bedroht, weil sie der Assimilationspolitik der Türkei unterliegt. Damit die Sprache nicht ganz vergessen oder verloren geht, war es für mich ein sehr bewusster Entscheid mein Café in meiner Muttersprache zu benennen.


Wie würdest du deine Gäste beschreiben?
Es sind sehr viele junge Familien, Radfahrer, Studierende, Aktivisten, bewusste Leute die keinen Platz für Pessimismus haben und die einen ökologischen Lebensstil anstreben. Da sich unser Angebot von Philosophieanlässen, Konzerten, Lesungen, Vorträge bis hin zu Ausstellungen erstreckt, variiert natürlich auch das Publikum stark... das gibt immer wieder neue Dynamiken.


Gibt es einen Film, der deine Lebensphilosophie umschreibt?
Schluss mit Schnell, das Leben selbst bestimmen - ein Dokumentationsfilm

Welche Musik umschreibt den Spirit des Kaffees?





Welche Musik geniesst du im Alltag?
Morgens mag ich besonders Mozart, Philippe Jaroski und Chopin. An manchen Tagen, wenn ich das Befinden habe, dass die Musik Platz hat, so kommt es vor, dass ich die Nachbarschaft mit klassischer Musik wecke...

Wie wär’s mal mit...
...Entschleunigung, Nachhaltigkeit, innerem und äusserem Frieden, FRIEDEN überhaupt – wieder einmal die Hände in der Erde einbuddeln, einatmen und ausatmen – Körper und Seele in Einklang bringen.



Wer mehr über die Zaza-Sprache erfahren will oder dem Alltag auf Milchschaumbergen entfliehen möchte, dem können wir einen Besuch im Cafe Jêle nur wärmstes empfehlen. Herzlichen Dank an Cêlal für das spannende Gespräch mit dir und deinen Gästen, denn eins ist gewiss, an diesem Ort hat es keinen Platz für Hemmungen, sondern es begrüssen dich Optimismus, Leichtigkeit und Freiheit.


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von Derya Cukadar
am 27.03.2017

Einleitung
Anonymer Gast & Derya Cukadar


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