OFFCUT: Im Gespräch mit Simone Schelker und Tanja Gantner

Kann Upcycling zum neuen Standard werden? Auch Kreativschaffenden wird es ermöglicht nachhaltig Materialien zu beschaffen dank dem OFFCUT Materialmarkt, einem Secondhand-Shop für Künstler-, Bastel- und Dekomaterial. Dazu gehört eine innovative Community. Simone Schelker und Tanja Gantner haben wir zum Gespräch getroffen und uns über die unglaublich vielen Möglichkeiten mit Material zu arbeiten unterhalten.


Liebe Simone, liebe Tanja wer seid ihr und was ist OFFCUT?
Tanja: Wir kennen uns aus dem Vorkurs, das ist schon ziemlich lange her… Ich kam aus Zürich nach Basel wegen dem Vorkurs und bin hier sozusagen gestrandet. Mit Material in Berührung kam ich im Zusammenhang mit dem Café Hammer, ein Vereinslokal, und den ‚Diskowürste’, ‚Röcke Rocken’ und ‚MIR’ -Partys. Bei all den Projekten war Deko aus speziellem Material (oder die Suche nach diesem) immer ein grosses Thema.
Simone: Mich hat auch der Vorkurs in die Stadt geholt. Danach habe ich an der HGK studiert und ein Auslandsemester in Australien gemacht. Da entdeckte ich ‚Reverse Garbage’ und war begeistert. Ein Ort, der die unglaublichsten Restmaterialien und Fundstücke vereint, die nur darauf warten wieder kreativ verwendet zu werden. Aus der Begeisterung heraus entstand das Projekt OFFCUT, mit dem wir 2012 den gleichnamigen Verein gegründet haben.
Unsere Motivation war und ist, dass wir eine Brücke zwischen dem Materialbedarf von Kreativschaffenden und den bereits bestehenden Materialressourcen schaffen, denn davon gibt es wirklich genug! Im OFFCUT Materialmarkt auf dem Dreispitz-Areal verkaufen wir das Material, welches wir von Firmen und privaten Sammlern gratis „gespendet“ bekommen, bevor es in der Entsorgung landen würde.




OFFCUT – weshalb der Name?
Simone: Weil er kurz und cool ist! Und weil das Wort zu unserem Motto passt. „Offcut‟ heisst Abschnitt oder Reststück und unser Motto lautet: Was dem einen Reststück ist, kann dem anderen Rohstoff sein.

Wer gehört alles zum Team und wie sind eure Aufgabenbereiche aufgeteilt?
Tanja: Unser Team besteht zur Zeit aus sieben Personen. Das sind Christian Mueller, Susanne Roser, Livia Krummenacher, Stefan Kurt Scherer, Flurina Brügger und wir zwei. Wir beide übernehmen die Geschäftsleitung, also die Koordination, Projektentwicklung und Innovation von OFFCUT, aber auch viel operative, administrative Hintergrundarbeit. Deswegen sieht man uns weniger im Materialmarkt als auch schon. Wir haben jetzt ein richtiges Büro!
Simone: Die anderen vom Team sind im täglichen Geschäft vom Materialmarkt eingebunden. Dazu gehört die Materialbeschaffung und -aufbereitung, sowie der Materialverkauf. Aber OFFCUT ist viel mehr als nur ein Materialmarkt. Es geht darum eine Community aufzubauen, die sich für die Sensibilisierung der gesamthaften Ressourcen- und Verschwendungsthematik einsetzt.



Was habt ihr alles so im Sortiment?
Simone: Das Sortiment umfasst Kunststoffe, Textilien, Papier, Kartonage, Leder, Glas oder Metall. Überschüsse, unverarbeitete Resten, Mängelexemplare oder Musterwaren verschiedener Materialien, welche noch irgendwie weiterverarbeitet und weiterverwendet werden können – sich zur Zweckentfremdung eignen. Die Geschichte oder Patina der Materialen inspiriert viele Kunden. Man findet auch Kuriositäten, von denen wir manchmal selbst nicht wissen, was es ist.

Beschreibt eure Kunden in drei Worten.
Simone: Kreativ, Materialaffin, Inspirationshungrig.
Tanja: Unmöglich, alle sind so unterschiedlich! Die Materialaffinität ist definitiv der gemeinsame Nenner.



Was war das ausgefallenste, das ihr ins Sortiment aufgenommen habt?
Simone: Mir kommen die Medizinplakate mit den Organen in den Sinn, oder die tonnenschweren, massiven Strickbahnen von einem Bühnenbild. Da gibt’s so vieles, was in den letzten drei Jahren reingekommen ist, dass ich gar nicht mehr weiss, was „ausgefallen“ ist. Da musst du glaub ich unsere Kunden fragen.

Wofür verwenden eure Kunden das Material weiter?
Tanja: Der Klassiker sind natürlich die Kunden, die aus dem unterschiedlichsten Material Taschen nähen, davon haben wir sehr viele. Ich denke Taschen sind bei vielen die ersten Upcycling-Projekte. Kürzlich hat eine Mutter von zwei Kindern Stoff und Seil für ein Tipi eingekauft, das sie für ihren Garten bauen möchte. Studierende der HGK decken sich mit Material ein um Prototypen zu bauen. Eine Studentin, die auch Vereinsmitglied bei uns ist, arbeitet aktuell an einer Tasche aus Origami-Falttechnik – für ihren Prototypen hat sie Buchbinderleine bei uns bezogen, da sich diese anscheinend gut fürs Falten eignet. Dann habe ich kürzlich blaue Kelko-Platten jemandem verkauft, der damit eine Wohnwagendusche renoviert. Die Platten eigneten sich für sein Projekt, da sie leicht und wasserundurchlässig sind. Ausserdem haben Künstler der Ausstellung EL TSCHUGGO FOREST, welche bis zum 14. Mai im Kunstraum Klingenthal zu sehen war, bei uns grosse Mengen Karton bezogen.



Wenn OFFCUT essbar wäre, was wäre es für ein Gericht und weshalb?
Simone: Ratatouille aus bunt durchmischtem Gemüse, ein Wirrwarr von Farben und Geschmäckern.
Tanja: Thailändischer Papayasalat. Verschiedene Konsistenten: Knackiges und Weiches, scharf, exotisch aber auch farblich bunt. Leider oder vielleicht auch zum Glück sind unsere Materialien bis auf weniges – z.B. Ziegenleder – nicht sehr geschmacksintensiv.


Was bietet ihr sonst noch nebst Materialverkauf?
Tanja: Wir holen das Material ab. Alle im Verkaufsteam haben auf ihrem Interessensgebiet Erfahrung mit Material und beraten nach Möglichkeit gerne unsere Kunden. Wir haben im Materialmarkt eine kleine DIY-Bibliothek, wo man sich Inspiration und Materialwissen holen kann. Ausleihen können die Bücher aber nur unsere Vereinsmitglieder. Wir führen den Materialblog, damit unsere Kunden möglichst von Zuhause aus mitbekommen, wenn neues Material reinkommt.
Simone: Wir organisieren Workshops, Ausflüge und Filmabende für unsere Vereinsmitglieder. Das übernimmt hauptsächlich Susanne Roser. Die Vereinsmitglieder, die aktiv dabei sind, das ist eben die Community, die wir OFFCUT-Club nennen. Diese Community soll immer mehr wachsen und die Vereinsanlässe sind wichtig, damit wir uns sehen, uns austauschen können und unsere Skills in Upcycling und DIY aufpeppen können.




Wo in Basel geht ihr gerne hin zum 
Einkaufen?
Simone: Ich gehe hauptsächlich Foodshoppen, am liebsten auf lokalen Märkten – sonst findet ihr mich in Brockis. Letztens war ich beim Atelierverkauf bei Boycotlettes, sowas find ich super.
Tanja: Ich gehe auch sehr gerne stöbern in den Brockis im Kleinbasel, der Matthäusmarkt ist auch immer wieder mal einen Besuch wert. In den Unverpackt Laden würde ich gerne mal, aber grundsätzlich bin ich im Moment gerade nicht so im Shoppingfieber.


Wo geht ihr in Basel tanzen?
Simone: Das Tanzen kommt bei mir meistens an privaten Parties auf. Auf jeden Fall an Premièren oder Dernièren im jungen theater basel.
Tanja: In Clubs geh ich nicht mehr so oft, dafür lass’ ich mich lieber spontan im Terrorsamba oder Nebel überraschen. Was auch immer wieder mal sehr gut funktioniert. Im Sääli kann man auch öfters mal gut abtanzen.



Und kulinarisch lässt ihr euch wo verwöhnen?
Tanja: Wenn ich mich mit einer Freundin treffe, dann mach ich das ganz gerne im Cafe FLORE, mit meinem Freund dann eher an der Marina und ein spontanes Feierabend Bierchen nehme ich natürlich in der Fass Bar, weil die grad so auf dem Weg liegt.
Simone: Ich mag die Kulturbeiz im Warteck oder den Rostigen Anker, weil man da im Sommer zu Sonnenuntergang aperölen kann und die Atmosphäre einfach schön ist. Sandwich und Hauseistee gibts für mich ausschliesslich von der Bäckerei KULT!


Am besten entspannen in Basel kann man…
Simone: Im Hafenareal, in der langen Erle, am liebsten draussen, wo es nicht allzu viele Leute hat.
Tanja: Ich bin gerne auf der Kraftwerkinsel oder gehe gerne mit dem Freizeitverein Hammer von Christian Mueller auf Wandertour – das ist dann mehr Entspannen von der Stadt als Entspannen in körperlicher Hinsicht.




Wenn OFFCUT ein Film wäre, wer würde den Hauptcharakter spielen und weshalb?
Tanja: „Science of Sleep“ von Michel Gondry. Der Hauptcharakter darin lässt Gegenstände und Materialien zum Leben erwecken. Es gibt manchmal Kunden die genau so spielerisch durch die Regale laufen und Materialien mit ihren ganz persönlichen Eigenschaften suchen um ihre Idee umzusetzen. Das ist unglaublich inspirierend und macht Spass!

Wie wärs mal mit...
Simone: Selbst denken? – ein Buch von Harald Welzer.
Tanja: Freunden von OFFCUT erzählen oder sie gleich mal bei uns vorbeibringen?




Wir danken Simone und Tanja für die Einblicke in ihre Arbeit, die dazugehörigen Materialien und die Tipps zu Basel. Dank der kreativen Arbeit von OFFCUT können Kreative nachhaltig ihrer Kunst – ihrer Arbeit – nachgehen. Was benötigst du für dein nächstes Projekt?


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von Ana Brankovic
am 29.05.2017

Fotos
Vera Frei für Wie wär's mal mit

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