Zwischen Basel und Berlin: Ylenia Gortana im Gespräch

Wenn man Basel hoch skaliert, die Strassen breiter gestaltet, die Häuser vergrössert und Einwohner sowie Touristen vervielfacht, so würde die Gleichung Berlin entsprechen.
Denn Basel ist für einige Exilschweizer, welche zur Zeit in der Hauptstadt Deutschlands leben, das Berlin der Schweiz. So auch für Ylenia Gortana - eine 25-jährige Baslerin, welche seit 5 Jahren in Berlin Modedesign studiert, ein Praktikum beim Proenza Schouler absolviert hat und hier das Berliner Leben mit allen Facetten bestreitet. Doch lassen wir Ylenia nun am besten gleich selber zu Wort kommen.


Liebe Ylenia, dein Leben als kleine Zeitreise in Stichworten bis zur Gegenwart...
Ostschweiz
Basel
Bauernhof
Rudolf Steiner Schule
FMS
Vorkurs Bern
HSLU
Berlin


Du hast auch an der HSLU in Luzern studiert?
Ich habe an der HSLU Objektdesign angefangen zu studieren, weil ich das Experimentieren mit verschiedenen Materialien spannend finde. In der Zeitspanne besuchte ich einen Drapier-Kurs in Basel, dort erfuhr ich von der Kunsthochschule Weissensee in Berlin und dass dort in einer Woche Anmeldeschluss sei, also packte ich die Chance und so kam alles ins Rollen.


Und du wurdest angenommen...
Genau, und dann war für mich klar, dass ich nicht mehr in Richtung Objektdesign and der HSLU gehen werde. Ich wusste eigentlich schon seit ich ein kleines Mädchen war - obwohl ich sehr modedistanziert aufgewachsen bin - dass ich irgendwann Modedesignerin werde.
In der Zwischenzeit ging ich reisen, arbeitete und habe auch ein Praktikum bei Sabine Lauber absolviert. Dazu muss ich erwähnen, dass der Berlinhype bis Dato an mir vorbeigezogen ist.



Wie wurdest du von Berlin empfangen?
Sehr sanft (Lacht). Eine gute Freundin namens Tamina, war schon in Berlin und fragte mich, ob wir gemeinsam eine WG gründen wollen. Ich stimmte zu und wir suchten eine passende Wohnung. Sie ging zu den Besichtigungen und ich war dann zwei Wochen vor Studienbeginn in Berlin und hatte schon jemanden, den ich kannte. Mit dem Studium, dem Arbeiten und wie es in Berlin so üblich ist durch Begegnungen an einer Party, in der Ubahn oder im Park entstanden Freundschaften, welche ich nicht missen möchte.

Was bedeutet dir Basel?
Basel ist für mich meine Heimat, hat mich geprägt und da durfte ich aufwachsen. Und klar fällt mir auch sofort der Rhein an - denn es gibt nichts Schöneres wie ein Sommer am, im und um den Rhein, dass muss man erlebt haben. Was ich Basel hoch anrechne ist, dass es im Verhältnis zu anderen kleinen Städten ein breites Angebot an kulturellen Aktivitäten bietet. Bei jedem Besuch in Basel ist auch immer was los!


Und wie nimmst du Berlin wahr?
Berlin ist unglaublich sozial. Man kommt mit wenig Geld sehr weit. Gibt es eine Teuerung, so hat es genügend kreative Köpfe, die die Not zur Tugend machen, immer wieder Wege finden, günstig ein gutes Leben führen zu können. Es hat diverse Sharing Comunities, Flohmärkte und überhaupt Anlaufstellen. Auch behauptet mein Arbeitskollege, dass Berlin Lazy Town ist und so ist es auch - lass es mir dir erklären.
Berlin bietet unabhängig vom Wochentag ein Überangebot an kulturellen Aktivitäten, an denen du teil haben kannst. Es ist multikulti. Allein der Weg von A nach B oder der Besuch zum Späti wird zu einem Erlebnis. Und weil gerade so viel passiert und jedes Erlebnis vom nächsten übertönt wird, so weiss man auch, dass man nie überall gleichzeitig sein kann und sowieso irgendetwas «Grossartiges» verpasst. Also lässt man diesen Gedanken auch eher los und klinkt sich aus - und kann sich dadurch gelassen zurückziehen. Die Versuchung sich ablenken zu lassen, ist jedoch gross. Manchmal darf man sich aber auch in den Bann ziehen lassen, denn so manche Ablenkung hat mich schon inspiriert.



Letztes Semster hast du wohl kaum Zeit für Ablenkung gehabt. Wenn man dein Wearable Music Controller Projekt kennt, dann weiss man, dass dahinter viel Arbeit steckt...
Das war eine intensive Zeit, vorallem musste ich mir sehr viel Wissen über Technik aneignen, es war eine grosse Herausforderung, welche ich froh bin, angenommen zu haben.
Das Echo war unglaublich. Plötzlich berichten Magazine wie Wired oder Fucking Young über deine Arbeit - dies bedeutetet mir sehr viel und bestärkt mich auf meinem Weg.



Erzähl uns mehr über das Projekt...
Als Modedesigner setzt man sich ständig mit dem Gedanken der Präsentation von Mode
auseinander. Um über gewohnte Konventionen hinauszugehen, etwa die klassische
Laufstegsituation, bietet u.a. der Miteinbezug anderer künstlerischer Felder interessante Optionen. Musik und Mode arbeiten schon immer nahe zusammen, unterstützen und inspirieren sich gegenseitig. In der Modepräsentation dient die Musik aber hauptsächlich der Inszenierung und Untermalung. Meine Frage war nun, wie man Musik und Mode so miteinander verbinden kann, dass das präsentierte Objekt selbst den unterstützenden und performativen Part übernehmen kann. Das Endprodukt dieses Projekts ist eine Jacke, die als Music Controller funktioniert und mit der die Musik während der Präsentation gesteuert wird. Sie besteht aus einer Matrix von quadratischen textilen Sensoren, die durch Drücken ihren elektrischen Widerstand verändern und somit ein analoges stufenloses Signal aussenden können. Die analogen Signale werden in Midi-Signale umgewandelt, die wiederum von einem Musikprogramm gelesen werden. Den Sensoren lassen sich beliebig verschiedene vorgefertigte Loops, einzelne Töne, Effekte oder Filter zuteilen.
Wichtig war für dieses Projekt die tatsächliche Umsetzung mit dem Fokus auf Tragbarkeit, Funktionalität und System. Die Jacke besteht aus mehreren Schichten, wie einem Stromkreislauf, Isolation, textilen Sensoren und visueller sowie haptischer Oberfläche. Sie sollte auf den ersten Blick als konventionelles Kleidungsstück erscheinen und erst bei Aktivierung der Sensoren ihre zusätzlichen Funktionen enthüllen. Anders als bei einer klassischen Modekreation wird hier die Form der Funktionalität untergeordnet.


Wie das ganze ausschaut und funktioniert seht ihr in diesem Video. Ausserdem wird die Jacke von Birdmask bedient - einem in New York lebendem Basler Musiker.


Und so klingt Birdmask


Welche Männer möchtest du mit deiner Mode ansprechen?
Sehr coole, auch wenn das Wort sehr 90s ist. Diese Männer müssen diese in Worten schwer fassbare Coolness mit sich bringen und tough sein.


Was machst du nach deinem Bachelor Abschluss?
Die Zukunft ist noch ungewiss. Es gäbe verschiedene Felder, welche mich interessieren, jedoch ist es ein harter Markt und ein steiler Weg - wir werden sehen.

Du arbeitest auch in einer Bar, die gibt's ja in Berlin mehr als Sand am Meer. Was macht eure Bar Geist im Glas einzigartig?
Bevor ich dort gearbeitet habe, war die Bar für mich wie ein zweites Wohnzimmer, ich traf da immer jemand an, den ich kannte und fühlte mich wohl - dies ist für jeden selbst zu bestimmen, in welcher Bar man sich wohl fühlt, sei es in Berlin oder Basel. Und noch heute besuchen mich viele Freunde während der Arbeit - ein Grund mehr, wieso ich dort gerne arbeite.
Zur Bar selbst: sie ist schummrig mit Kerzenlicht, was eher der Mehrheit der Berliner Bars entspricht, aber dafür haben wir Infused Alcohol und spielen mit Gewürzen und frischen Zutaten, wo man individuell auf die Bedürfnisse der Besucher eingehen kann.


Gibt es einen vergleichbaren Ort in Basel, den man mit der Berliner Bar Geist im Glas vergleichen könnte?
Vielleicht die Fass Bar oder die Off Bar - da trifft man immer bekannte Gesichter.

Welches Getränk würdest du unseren Lesern empfehlen?
Lemon Zest Infused Gin Sour mit Earl Grey

Welches sind deine 3 Lieblingsspots in Berlin, wo trifft man dich an?
Zu Hause beim Schlesi, an der Uni und in der Bar - nein Quatsch, natürlich habe ich auch ein bisschen Freitzeit. Und dann gehe ich gerne bei Chi Chu essen. Meinen Kaffee trinke ich am liebsten im Baretto und tanzen gehe ich ganz klassisch ins Berghain, Golden Gate, Chesters Berlin oder Same Heads und natürlich trifft man mich auf den zahlreichen tollen Märkten.

Wie wär’s mal mit...
...Salbei Tee und Baklava?


Und genau das gönnen wir uns jetzt! Vielen lieben Dank and Ylenia Gortana für das tolle Gespräch. Was Ylenia sonst noch so macht, findet ihr auf ihrer Webseite.


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von Derya Cukadar
am 20.04.2015

Fotos
© Ylenia Gortana
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